Die Lage in Libyen, dem nach wie vor größten Ölförderland Afrikas, ist mittlerweile unübersichtlicher denn je. Zumindest bildete das staatliche Ölförderunternehmen National Oil Corporation (NOC) im Wirrwarr eines sich forcierenden Bürgerkriegs bislang noch so etwas wie eine Bastion der Stabilität. Doch auch damit scheint es nun vorbei zu sein, nachdem der Vorstand bekannt gab, die eigene Ölproduktion aufgrund der anhaltend schweren Kämpfe im Land wohl schon bald komplett einzustellen.

Libyens staatliche Ölfirma NOC warnt davor, die eigene Ölproduktion auf allen Feldern des Landes gänzlich einzustellen, falls Behörden und der Rest von dem, was noch an staatlicher Autorität nach dem Sturz von Muammar Gaddafi übrig geblieben ist, die eskalierende Lage in dem im Bürgerkrieg versinkenden Land nicht bald in den Griff bekämen.

Libyens Ölproduktion könnte eingestellt werden

Zuletzt ist es verstärkt zu Angriffen auf Ölfördereinrichtungen von NOC gekommen, deren Ölproduktion ohnehin schon auf ein Mehrjahrestief gesunken ist. Um die Leben der eigenen Mitarbeiter zu bewahren, bliebe NOC laut eigener Aussage bald nichts mehr anderes übrig, als die Produktion komplett einzustellen.

NOC richtete sich jüngst mehrmals mit Appellen an das Verteidigungsministerium und die zur Protektion von Ölfeldern abgestellten Einsatzkräfte, um alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Ölfelder zu treffen. Wie es heißt, habe NOC die eigene Tagesproduktion nach dem Ausbruch eines Pipelinebrandes um 180.000 Barrel kürzen müssen.

Betroffen ist vor allem der nahe Tobruk lokalisierte Ölexporthafen von Hariga, wo Öl zwar auf Lager gehalten werde, wo es im Angesicht der ausufernden Krise jedoch kaum mehr zu Verschiffungen komme. Noch zu Beginn dieses Jahres erreichte die Ölproduktion 345.000 Barrel pro Tag.

Nach dem Ausbruch des Pipelinebrandes wird die libysche Ölförderung nun wohl auf unter 200.000 Barrel pro Tag absacken. Hier ein Vergleich: Im Jahr 2011 förderte Lybien vor dem Sturz Gaddafis noch etwa 1,6 Million Barrel Erdöl pro Tag. Ende letzter Woche kam es zu einem Angriff auf das Ölfeld Bahi, wodurch sich die Lage ebenfalls verschärft hat.

Politisches Chaos und Folgen für die Ölproduktion

Die politische Lage in dem nordafrikanischen Land ist unübersichtlicher denn je. NOC gibt sich im Konflikt zwischen einer durch Islamisten unterstützten Regierung in der Hauptstadt Tripolis und der durch internationale Organisationen unterstützten Vorgängerregierung, die nach ihrer militärischen Niederlage in die Ostregionen Libyens floh, offiziell neutral.

Zum Schutz von Ölfeldern abgestellte Einsatzkräfte schieben die Schuld an dem Ausbruch des Pipelinebrandes sowie die zunehmenden Attacken auf Ölfelder einer vor Ort agierenden Einheit des Islamischen Staates (ISIS) in die Schuhe. Diese Organisation macht momentan vor allem in Syrien und im Irak von sich reden.

Auf der anderen Seite erklärte die durch Islamisten unterstützte Regierung in Tripolis, im Dezember eine Großoffensive libyscher Milizen angeordnet zu haben. Dabei kam es unter anderem zum Ausbruch eines Feuers in den Öllagertanks von Es Sider, dem größten Ölhafen des Landes. Wie verworren die Situation ist, zeigt der Angriff auf die Stadt Sirte, in dessen Zuge bewaffnete und bislang nicht identifizierte Kräfte die Gebäude der Sozialversicherung, des Passamtes, von Krankenhäusern sowie Radio- und TV-Sendern besetzten.

Bislang hat sich keine der bewaffneten Gruppen offiziell zu diesem Angriff bekannt. Fest steht indes, dass es im Falle einer verzögerten Wiederaufnahme des Öltransports zum Hafen Hariga, dessen Ölterminals aufgrund einer Pipelineexplosion weiterhin geschlossen bleiben, nur noch die Offshore-Ölproduktion aufrechterhalten wird.

Zu rechnen ist in diesem Fall nicht nur mit einem abermaligen Rückgang der Tagesproduktion im wichtigsten afrikanischen Ölförderland, sondern auch mit einer Intensivierung der Kämpfe zwischen den Bürgerkriegsparteien. Der Geldfluss aus dem Ausland würde zudem immer weiter abebben, so dass Libyen zum nächsten „Failed State“ in der Welt avancieren dürfte, wenn es dies nicht bereits ist.

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